Rettet das generische Maskulinum

“Your time is limited, so don’t waste it living someone else’s life. Don’t be trapped by dogma — which is living with the results of other people’s thinking. Don’t let the noise of others’ opinions drown out your own inner voice. And most important, have the courage to follow your heart and intuition.” (Steve Jobs)

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Manchmal zeigen sie im Fernsehen Original-Aufnahmen aus den 60er und 70er Jahren, in denen sich ältere Passanten über „langhaarige Hippies“ echauffieren oder sich ganz furchtbar über Miniröcke aufregen. Dieses absolute Unverständnis, diese Unmöglichkeit, solche Veränderungen in das eigene Wertesystem zu integrieren, wirkt heute komisch, aber auch anrührend – hatten diese Menschen doch jahrzehntelang an ordentliche Kurzhaarschnitte und Röcke, die höchstens Teile des Knies freigaben, geglaubt und finden sich nun plötzlich in einer Welt wieder, in der sie sich nicht mehr auskennen.

Jeden Morgen, wenn ich die aktuellen Meldungen lese – heute die, dass Mr Potato Head (eine alberne Kartoffelkopf-Figur aus Plastik, die in „Toy Story“ in einer Nebenrolle spielte) nicht mehr als Mr, sondern nur noch genderneutral als „Potato Head“ zu erwerben ist – also jeden Morgen, wenn ich sowas lese, weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Und ich merke: es ist im Grunde dieselbe Empörung, die ich von den Passanten aus den alten Dokumentarfilmen kenne.

Das erste Mal spürte ich sie 1998 bei Einführung der idiotischen deutschen Rechtschreibreform, die sich selbst so häufig korrigieren musste, dass am Ende kaum noch jemand wusste, wie man „Delphin“ denn nun richtig schreibt. Oder als es an den Schulen plötzlich um „Schreiben nach Gehör“ ging – einer Methode, um Kindern schon von klein auf jegliches Gespür für die korrekte Orthographie abzutrainieren. Jetzt werden also auch noch die „Gästin“ und die „Bösewichtin“ Einzug in die deutsch-babylonische Sprachverwirrung erhalten und mit Gendersternchen wird (schriftlich und gesprochen) dokumentiert, dass man wirklich immer alle Geschlechter meint – über die korrekte Anzahl habe ich mittlerweile den Überblick verloren.

Politisch korrektes „Neusprech“ ist nicht nur in Deutschland, sondern in großen Teilen der westlichen Welt zu beobachten. Letztens habe ich zum Beispiel in der Londoner Times gelesen, dass mit der Amtseinführung von Präsident Biden auch Begriffe wie „Mutter“, „Vater“, „Tochter“ und „Bruder“ etc. – also Begriffe, die familiäre Beziehungen beschreiben – nicht mehr im Weißen Haus benutzt werden dürfen. Sie werden ersetzt durch Begriffe wie „Elternteil“ oder „Kind“. Hierbei geht es mal wieder darum, eben auch allen anderen möglichen Geschlechtern gerecht zu werden. Schon der Begriff „Frau“ scheint mittlerweile verpönt zu sein. Deshalb nennen Tampon-Hersteller ihre Kundinnen auch „Menstruierende“ oder „Blutende“ und der britische NHS schreibt nur noch von „Menschen mit Vagina“.

Nun ist Sprache aber nicht etwas, was man wie eine ungepflegte 70er-Jahre-Frisur mal eben ändern oder wie einen Minirock mal eben wechseln kann. Sprache ist ein wesentlicher Teil unserer Identität: mit Sprache drücken wir aus, wer wir sind, wie wir denken, wie wir fühlen und was uns geprägt hat. Wenn wir unsere Sprache plötzlich nur noch so benutzen, wie andere uns das vorgeben, unterwerfen wir uns nicht nur einem ideologischen Diktat, sondern signalisieren auch nach außen, dass wir eben genau das tun und dass andere unserem Beispiel folgen sollten, um mit uns auf einer Ebene kommunizieren zu können. Gendern führt letztlich dazu, die Gesellschaft nur noch weiter zu spalten: einerseits in die, die es beherrschen und das aus irgendeinem Grund immer unbedingt permanent demonstrieren wollen und andererseits in die, die es eben nicht können (z.B. Menschen, die sowieso schon Probleme mit der deutschen Sprache haben) oder die es absolut ablehnen. So wie ich.

Die Muttersprache (darf man diesen Begriff eigentlich noch benutzen ohne direkt in irgendeine Schublade einsortiert zu werden?) mit ihren festen, eindeutigen Begriffen so zu verhunzen, dass es weniger um einfache Sachverhalte, sondern vielmehr um die korrekte politische Einstellung geht, macht die Welt nicht schöner und gerechter, sondern nur noch hässlicher und noch chaotischer. Die Abschaffung des generischen Maskulinums sorgt nicht nur dafür, dass unsere Sprache und unser Miteinander komplizierter und sexualisierter werden. Wenn gewisse Themen nur noch auf eine bestimmte Art und Weise geschrieben und gesagt werden dürfen, geht es im Grunde auch darum, andere einzuschüchtern und mundtot zu machen. Deshalb unterstütze ich den Aufruf des Vereins Deutsche Sprache (VDS): https://vds-ev.de/allgemein/aufrufe/rettet-die-deutsche-sprache-vor-dem-duden/ Weil es hier um mehr geht als nur um eine Modeerscheinung, die man nicht versteht. Und vielleicht auch, weil ich einfach zu alt bin, um jeden Scheiß mitzumachen.

Photo by Tim Mossholder on Unsplash

Neues Spiel, neues Glück

Jetzt wollte ich es aber wirklich wissen. Nachdem ich schon mal bei einem dieser Online-Adventskalender regelmäßig ein Türchen geöffnet und regelmäßig nichts gewonnen hatte, bin ich in diesem Jahr fast schon professionell vorgegangen. Google hatte mich schnell zu der Seite https://www.kostenlos.de/adventskalender-gewinnspiele geführt, auf der sich die so ziemlich besten Online-Adventskalender-Gewinnspiele in alphabetischer Reihenfolge befinden. Hier klickte ich mich jeden Morgen nach der ersten Tasse Kaffee systematisch von oben nach unten durch jeden Adventskalender, der mir halbwegs interessant vorkam. Bei der Masse an Online-Adventskalender-Gewinnspielen, die ich schließlich mitmachte, musste doch mindestens ein Gewinn drin sein. Oder?

Meine Favoriten waren zum Beispiel Kalender wie

https://www.fairtrade-advent.org/de/ und

https://www.test.de/microsites/adventskalender/index.htm .

Auf den meisten Seiten musste ich nur meine Anschrift eintragen, manchmal einem Newsletter-Versand zustimmen und/oder ein paar witzige Fragen beantworten oder Aufgaben lösen. Lexware wollte beispielsweise wissen, wo Silvester vor Weihnachten kommt (Lösung: im Wörterbuch). Die Freiberger Brauerei forderte mich auf, ein Gedicht mit der Anfangszeile „Still ruhet die Freiberger Brauerei…“ zu schreiben. Also dichtete ich

„Still ruhet die Freiberger Brauerei,
fröhlich der Braumeister singt.
Kommet und schauet doch alle vorbei
wie er nach zehn Bierchen klingt.“

Negativ in Erinnerung geblieben ist mir der knauserige NDR, bei dem es so gut wie nie etwas Vernünftiges zu gewinnen gab (wer braucht schon ein Kochbuch?), aber dafür immer entsetzlich nervtötende Aufgaben, die einfach schon allein vom Zeitaufwand her in keinem Verhältnis zu dem eigentlichen Gewinn standen. Sich durch 24 Fragen klicken zu müssen, nur um eventuell ein Radio zu gewinnen, ist nun wirklich nicht jedermanns Sache. Einerseits. Andererseits ist die Gewinnchance natürlich höher, da bei so einem Spiel kaum einer mitmachen wird. Ich stieg bereits bei der sechsten Frage aus.

essen-und-trinken.de war auch schon mal etwas frustrierend – hatte ich mich endlich durch die Bilderpuzzle geklickt, kam öfter eine Fehlermeldung und die Eingabe der Anschrift war nicht mehr möglich.

Aber alles in allem machte es schon Spaß, sich jeden Morgen überraschen zu lassen, immer wieder ein Türchen mit neuen Möglichkeiten zu öffnen. Anfangs war mir der Gewinn übrigens völlig egal, da ich mir sagte, dass ich das, was ich absolut nicht brauche (Lautsprecherboxen, Küchenmaschinen etc.) ja immer noch verschenken oder auf Ebay verscheuern könnte. Als ich aber einmal nachts nicht hatte einschlafen können, weil mich bei dem Gedanken, dass sie mir tatsächlich diesen monströsen Heimtrainer vor die Tür stellen, die blanke Panik erfasst hatte, spielte ich nur noch bei den Spielen mit, bei denen ich sicher war, dass mir der Gewinn mehr Freude als Scherereien einbringen würde.

Und das ist das, was ich nach weit über 25 Stunden „Arbeitseinsatz“ (immerhin mehr als drei volle Arbeitstage) und ca. 420 Spielen gewonnen habe:

Außer Erfahrung, aber das ist doch auch schon etwas. Zumindest weiß ich nun ganz sicher, dass ich mich für den Rest meines Lebens nicht mehr mit Online-Adventskalendern beschäftigen werde.

Möglich, dass das neue Jahr wieder eine Niete wird. Voller Pleiten, Pech und Pannen. Das C-Wort möchte ich in diesem Blogeintrag schon gar nicht mehr erwähnen, denn es wird uns sicherlich noch eine Weile beschäftigen. Aber mit der Idee im Hinterkopf, dass jede neue Anstrengung, jeder neue Versuch die Möglichkeit auf einen Gewinn eröffnet, auf ein kleines oder großes Glück und dass allein das schon den Reiz des Spieles ausmacht, lässt sich der Neustart in ein hoffentlich besseres 2021 vielleicht etwas optimistischer angehen. Ist nicht im Grunde das ganze Leben nur ein Spiel? Genießt es, es gibt immer etwas zu gewinnen – und sei es nur Erfahrung. Dabei sein ist alles. In diesem Sinne: Guten Start ins neue Jahr!

Bildnachweise: Adventskalenderfoto by Markus Spiske on Unsplash/ Screenshot nach einem essen-und-trinken-Gewinnspiel

Weiterhin eine gesegnete Weihnachtszeit

Ja, Überraschung! 🙂 Wir befinden uns immer noch in der Weihnachtszeit – genau genommen sogar bis 2. Februar (Mariä Lichtmess). Wobei in den evangelischen Kirchen bereits nach dem Erscheinungsfest am 6. Januar (Epiphanias) der Alltag wieder einkehrt und die letzten Weihnachtsbäume abgebaut werden. Aber es ist jetzt eben noch Weihnachtszeit. Deshalb passt es auch, sich weiterhin Krippenspiele anzuschauen. Dieses hier auf alle Fälle: es lief Heiligabend im Rahmen des Online-Gottesdienstes auf dem YouTube-Kanal der Christus-Gemeinde Mülheim und ist das wahrscheinlich niedlichste Krippenspiel von allen. Ich muss es einfach noch hier loswerden. Es ist wirklich sehr, sehr sehenswert:

Mit Klick auf den Start-Button des Videos wird eine Verbindung zu „YouTube“ und „doubleclick.net“ aufgebaut, dabei werden Daten übertragen (siehe Datenschutzhinweise).

Auf die Plätze…

Übrigens laufe ich wieder. Seit dem 31. August 2020. Durch die Altstadt am Friedhof entlang, durch einen schönen Park, dann durch eine Villengegend, an einer Hauptstraße entlang zurück durch ein gepflegtes Wohngebiet, einen weiteren schönen Park und danach wieder am Friedhof vorbei nach Hause.

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Fertig?

Mir kam zugute, dass ich noch ein hervorragendes Paar Asics-Laufschuhe aus den 2010er Jahren besaß und damit sofort durchstarten konnte. Aus meinem alten „forever young”-Ratgeber von Dr. med. Ulrich Strunz wusste ich bereits, dass ich mich vor und nach dem Laufen dehnen und am besten langsam starten sollte. Für den Anfang würden 3 Minuten Laufen, die ich von Tag zu Tag steigern könnte, ausreichen – immer im Wechsel mit schnellem Gehen. Meine Erfahrung sagte mir, dass diese ersten 3 Minuten mir quälend lang vorkommen werden, aber auch, dass es nach zwei Wochen so ab 15 Minuten ein Kinderspiel sein würde, am darauf folgenden Tag direkt 30 Minuten am Stück zu laufen. Ab da würde der Spaß richtig beginnen.

Los!

Und so kam es auch. Am Tag 1 schleppte ich mich also entlang des Altstadtfriedhofs durch den hügeligen Park, hyperventilierte durch die chice Villengegend, danach an der Hauptstraße entlang zurück durch den anderen Park, in dem mir ein Mann mit südländischem Aussehen von Weitem in gebrochenem Deutsch zurief: „Du laufen schlecht!” Leider bekam ich kaum Luft, um zu antworten. Aber ich gebe zu, dass ich flüchtig an meine Google-Suchergebnisse dachte, als ich mal das Wort „Joggerin“ eingegeben hatte. Doch fast zeitgleich änderte sich dieser deprimierende Gedanke und mir kam in den Sinn, dass dieser Mann aus der Entfernung wegen meiner immer noch hennagefärbten Haare vielleicht gar nicht hatte erkennen können, dass ich seine Großmutter hätte sein können und einfach nur irgendeine Form der Kontaktaufnahme gesucht hatte. Als ich mich wieder am Altstadtfriedhof entlang zurück nach Hause quälte, traf mich dann die Erkenntnis, dass ich tatsächlich schlecht lief. Aber ich wusste, dass es besser werden würde. Von Tag zu Tag.

Hatte ich 2012 immer einen Tag Pause gemacht, bevor ich wieder die Laufschuhe angezogen hatte, entschied ich mich jetzt für Streak Running – also jeden Tag mindestens 1,6 km laufen. Meine Strecke beträgt ca. 4 km, die ich in etwa 30 Minuten gut schaffen kann. Ich habe ziemlich lange gegoogelt, ob ich mir mit meinen 54 Jahren da nicht etwas zu viel vorgenommen hatte. Die Meinungen sind da wirklich etwas kontrovers, die meisten empfehlen mindestens einen Ruhetag pro Woche oder höchstens 5 Tage am Stück zu laufen. Dr. Strunz spricht sich aber in seinem „forever young“-Ratgeber für tägliches Laufen aus und letztlich überzeugte mich Lauftrainer Andreas Butz von www.laufcampus.com mit seinem Tipp „Laufen Sie sieben Mal für die Seele und drei- bis viermal für ein längeres Leben.“

Wer täglich läuft, hat keine Ausreden mehr, wenn das Wetter mal nicht so gut oder der Terminplan etwas voll ist. Bisher hatte sich immer gezeigt: Es ist für mich jeden Tag möglich und es macht für mich jeden Tag Sinn. Denn nach jedem Lauf ist meine Stimmung erheblich besser als vorher und ich merke (dieses Phänomen hatte ich übrigens auch schon mal nach einer Stunde Ashtanga-Yoga beobachtet), dass ich die verstörenden Nachrichten und Informationen dieser chaotischen Welt einfach besser für mich einordnen kann. Social Media ist für mich nicht mehr so besonders interessant, weil die kühle Herbstluft da draußen, das knisternde Laub unter meinen Laufschuhen und die vielen Eichhörnchen, die gerade emsig ihre Wintervorräte anlegen, tatsächlich viel interessanter sind und im Hier und Jetzt mehr mit mir zu tun haben als irgendeine Horrormeldung, die sich gerade im Internet verbreitet.

Gestern rief mir ein Hundebesitzer fröhlich entgegen: „Durchhalten! Noch 40 Kilometer.“ Aber klar doch. Wird gemacht.

Lesetipps:

Wovon ich rede, wenn ich vom Laufen rede (Haruki Murakami)

Healthy Brain, Happy Life (Wendy Suzuki, Billie Fitzpatrick)

Läuft bei mir (Bella Mackie)

forever young (Dr. med. Ulrich Strunz)

https://www.runnersworld.com/runners-stories/g22000411/best-running-features/

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Fight or flight

Gegenwärtig fühle ich mich immer wieder an eine Situation erinnert, die sich 2012 in der Uniklinik ereignete. Als ich nach meiner Krebsdiagnose vor dem CT-Raum darauf wartete, dass in der Röhre das ganze Ausmaß meiner Erkrankung festgestellt wird. Neben mir hockte ein Mann in meinem Alter, der in der gleichen Lage war und unaufhörlich auf mich einredete. Dass er niemals das machen würde, was die Ärzte sagen, egal was jetzt bei der Untersuchung herauskäme. Dass naturheilkundliche Behandlungen mit Kräutern immer besser wären. Dass die ihn überhaupt mal alle könnten, er würde sein eigenes Ding durchziehen. Er wüsste, dass sogar Essigwasser schon helfen könnte.

panic
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Es war, als wollte er seine offensichtliche panische Angst mit einer Wut auf die Schulmedizin kompensieren. Er redete sich regelrecht in Rage. Ich meinte, ich würde mich da doch lieber auf die konventionellen Behandlungsmöglichkeiten verlassen. Es würde schließlich genug seriöse Studien geben. In meinem Fall hatte ich schon herausgefunden, dass sowieso nur eine Chemotherapie in Frage kommen würde, da es für triple-negativen Brustkrebs leider noch keine zielgerichtete Therapie gibt. Aber er ließ sich absolut nicht überzeugen: „Unsinn, diese ganzen Verbrecher stecken doch alle mit der Pharma-Mafia unter einer Decke, googeln Sie das mal! Apfelessig! Selbst Apfelessig hilft schon!“

Ich weiß nicht, was aus diesem Mann geworden ist. Aber eine junge Facebook-Freundin mit meiner Diagnose, die sich allein auf eine obskure Heilkräuterbehandlung verlassen hatte, ist nach wenigen Monaten gestorben.

Menschen reagieren unterschiedlich auf Gefahren – in der Regel ist eine Fight-or-flight-Reaktion zu beobachten. Die einen kämpfen derzeit mit allen Mitteln gegen die Ausbreitung der Seuche: Lockdown, Social Distancing, selbstgebastelten Masken. Die anderen flüchten sich in absurde Verschwörungstheorien. Meiner Erfahrung nach haben letztere die schlechteren Karten.