Offener Brief

Heute habe ich eine Mail von einem sehr besorgten Mülheimer erhalten, der sich entsetzt über den IS-Terror und über die westliche Blauäugigkeit äußerte, die er als „quasi suizidal“ bezeichnete. Ich veröffentliche meine Antwort hier als offenen Brief – einfach um mal öffentlich Stellung zu den derzeit teils hysterischen Debatten zu beziehen.

Hallo Herr X,

vielen Dank für Ihre Mail! Sie sind mit Ihren Ängsten und Sorgen ganz bestimmt nicht allein. Es traut sich nur mittlerweile kaum jemand mehr, offen darüber zu schreiben oder zu reden – zu schnell wird man heutzutage als Nazi oder Rassist beschimpft und auf Facebook entfreundet.

Ich habe mir auch so meine Gedanken gemacht, wieso das eigentlich so ist. Warum die Diskussion so aufgeheizt ist, dass ein normaler, sachlicher Austausch kaum noch möglich ist. Um es kurz zu machen: Ich glaube, es liegt wirklich am Trauma des Zweiten Weltkrieges und der enormen Schuld, die unsere Vorväter auf sich geladen haben.

Wenn ich lese, wie im Ausland über Deutschland berichtet wird, schwingt das in den englischsprachigen Kommentaren immer mit. In den Facebook-Beiträgen des  „Guardian“ wurde diese eine Fernsehmoderatorin, die sich letztens gegen Fremdenhass aussprach, doch tatsächlich als neue „Sophie Scholl“ gefeiert. Und über den Busfahrer, der die Asylsuchenden willkommen hieß, wurde bewundernd berichtet – was für ein guter Deutscher, Deutschland hätte seine Hausaufgaben gemacht, aus dem Krieg gelernt etc.

Dabei sollte es doch eigentlich völlig selbstverständlich sein, dass man nicht gegen andere hetzt und freundlich und höflich miteinander umgeht. Idiotisch, darüber überhaupt einen Fernsehkommentar oder Artikel zu schreiben. Aber bei Deutschen und auch in den Augen der Weltöffentlichkeit wird das offenbar immer gleich als heroischer Akt angesehen, wenn hier mal jemand nett ist. Und deshalb fühlt sich jeder Deutsche, der die „Refugees Welcome“-Fahne schwenkt, auch ein bisschen als ein guter Deutscher – vor allem, wenn er auch noch andere als böse Nazis verunglimpfen kann. Denn je böser die anderen sind, desto besser ist man selbst. So wird alles, was auch nur ansatzweise dafür geeignet ist, das eigene Ego noch weiter aufzuplustern, direkt angegriffen und niedergewalzt.

Gegen den IS können wir m. E. jetzt sowieso nichts mehr ausrichten. Möchte echt nicht wissen, wie viele tausend sogenannte Schläfer sich mittlerweile bei uns aufhalten. Ich wünsche mir einfach nur, dass es wieder möglich ist, Probleme offen beim Namen zu nennen und gemeinsam Lösungen zu finden. Das ist sicherlich auch im Sinne der vielen friedliebenden Muslime, die genau die gleichen Ängste und Sorgen haben wie wir.

Beste Grüße
Claudia Carius

Spruch